6.5.: Prof. Dr. Matthias Winzen

29. April 2015

Die Fakultät für Gestaltung veranstaltet von April bis Dezember 2015 die Vortragsreihe “Unterm Strich” – zur Bedeutung von Zeichnung in der Kunst und im Design.

Von der HBK Saar ist am Mittwoch, 6. Mai 2015, 18.30 Uhr, Prof. Dr. Matthias Winzen zu Gast mit seinem Vortrag “Die antigrammatische Vieldeutigkeit eines Striches”.

Matthias Winzen stellt eine Radierung von Francisco de Goya y Lucientes (1746 – 1828) vor, das Capricho 30 »Warum sie aufheben?« von 1793/94, veröffentlicht 1799 als eines von 80 Caprichos. Dort kann ein Strich ein einzelnes Haar, eine Gesichtsfalte oder die Trennung zwischen Ober- und Unterlippe bedeuten. Während ein einzelnes Haar noch der Strichform entspricht, wird die Grenzlinie zwischen den Lippen zu einer länglichen Dunkelheit. Schon im nächsten Moment, mit dem nächsten Wort oder Lachen, kann sie verschwunden sein. Die fruchtbare feinstrukturelle Dauerabweichung, das fortlaufende und unruhige Entstehen immer anderer Bedeutungsmöglichkeiten, wird weiter gesteigert durch eine zusätzliche Bedeutungsweise des Striches, durch den Strich als Baustein oder kleinster Gewebefaser der Schraffuren, die die Figuren volumenhaft erscheinen lassen. Die Vieldeutigkeit des Einzelstriches führt zu einer Art Anti-Grammatik. Bilder funktionieren ganz anders als Begriffe und Text. Im Text ist ein Komma ein Komma, ein l ein l, ein großes I ein I. In Zeichnungen werden Striche polyvalent und zerstricheln alle regelhafte Grammatik.

Prof. Dr. Matthias Winzen studierte Bildhauerei an der Kunstakademie Düsseldorf sowie Kunstgeschichte, Germanistik und Pädagogik an der CUNY, New York, und der Ruhruniversität Bochum. 1996 folgte die Promotion. Für seine Arbeit als Kunstkritiker erhielt er 1994 der Carl-Einstein-Preis für Kunstkritik der Kunststiftung Baden-Württemberg. Von 1995 bis 1999 war er Projektleiter Bildende Kunst des  Siemens Kulturprogramms, von 1999 bis 2005 Direktor der Staatlichen Kunsthalle Baden-Baden. 2007 verantwortete er als künstlerischer Leiter die Triennale Fellbach, 2013 (gemeinsam mit Matthias Flügge) im Auftrag des Instituts für Auslandsbeziehungen in Stuttgart (ifa) die große Übersichtsausstellung „Weltreise“ zum ifa-Sammlungsbestand im ZKM Karlsruhe. Seit 2009 ist er Direktor des Museums für Kunst und Technik des 19. Jahrhunderts (LA8) in Baden-Baden. An der HBK Saar in Saarbrücken hat er eine Professor für Kunstgeschichte inne.

Unterm Strich

Zeichnung verbindet: Sie ist Kommunikation, sie ist Ausdruck eines Ideenflusses und sie ist der Beginn von Gestaltung. Mit dem Stift in der Hand verändert sich das Denken, die Perspektive. Dieses Erlebnis ist zentraler Bestandteil der Lehre in der Pforzheimer Fakultät für Gestaltung. Die Wechselwirkung von Zeichnung und Design nimmt die Fakultät für Gestaltung zum Anlass, der Zeichnung öffentlich Raum zu geben. Künstlerinnen und Künstler, Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler werden in der neuen Vortragsreihe die verschiedenen Aspekte der Zeichnung diskutieren. Wechseln Sie mit den Vortragenden die Perspektive, wagen Sie den Blick mit, vor, hinter – und unter den Strich.

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