Kommunikationshilfe für Flüchtlinge von Amelie Weinert

10. August 2015

Aktueller kann eine Abschlussarbeit kaum sein! „Mein Deutschland“ ist ein Ordner, mit dessen Hilfe Flüchtlinge die deutsche Sprache und Kultur kennen lernen können. Entwickelt hat die Lernmethode Amelie Kim Weinert in ihrer Abschlussarbeit Visuelle Kommunikation. Die Studentin aus Mühlacker arbeitet ehrenamtlich in der Flüchtlingsbetreuung und konzipierte auf Grund ihrer Erfahrungen diese Orientierungshilfe. „Mein Deutschland“ dient zur Vorbereitung für einen Deutsch- oder Alphabetisierungskurs, da ein Asylbewerber gemeinsam mit einem Betreuer einen Einstieg in die deutsche Sprach- und Zeichenwelt findet.

Knapp 60 Millionen Menschen befinden sich aktuell auf der Flucht. In Deutschland werden im Jahr 2015 voraussichtlich rund eine halbe Million Asylanträge gestellt. Die großen Zahlen stellen Land, Gemeinden und Helfer vor Herausforderungen. Diese Menschen suchen nicht nur nach einem neuen Ort zum Leben, sondern Integration, Anschluss und eine Zukunft. Die traumatisierten Flüchtlinge sprechen vielfach kein Englisch oder Deutsch, zum Teil ist ihnen auch das Schreiben oder Lesen fremd.

“Sie sollen einen Alphabetisierungskurs besuchen, sind aber schwer traumatisiert und haben keine Schulbildung. Das ist an der Situation schlicht und einfach vorbeigeplant“, stellt Amelie Weinert fest. Die ehemalige Pforzheimer Studentin weiß, wovon sie spricht. Sie ist selbst Patin einer afghanischen Familie, die sie intensiv betreute. Nach einer sechsjährigen Flucht lebt die Familie heute im baden-württembergischen Mühlacker.

Für die inhaltliche Gestaltung hat die Designerin viele der vorhandenen Lehr- und Lernmittel ausprobiert und sich bewusst für eine andere Herangehensweise entschieden: „Mit meinem Ordner findet der Austausch auf Augenhöhe statt, ich vermeide konsequent die Lehrer- und Schülerrolle“, sagt die 25-Jährige. Das Lernen mit dem Ordner geschieht beiläufig über den Austausch der eigenen Kultur, Wissen wird spielerisch vermittelt – und ganz nebenbei die Feinmotorik und die Schreibbewegung (Graphomotorik) geschult. Amelie Weinert integriert ein Würfelspiel in die Methodik, um das Zahlensystem zu erlernen. Sie arbeitet mit abziehbaren Stickern, die mit Illustrationen und Schrift versehen, auf die jeweiligen Gegenstände geklebt werden.

Amelie Weinert arbeitet mit vielen Methoden, die aus einem anderen Umfeld bekannt sind. Sie sammelte diese Lern- und Arbeitsideen, arbeitete sie detailliert für Flüchtlinge um und entwickelte so ein passgenaues System. „Die Arbeitsweise entspricht der Lebenswelt und ist speziell für Erwachsene geeignet“, charakterisiert Amelie Weinert, die für „Mein Deutschland“ lange recherchierte. Sie hat ihre Aufgabe als Gestalterin ernst genommen: „Der Ordner verkörpert genau das, was Visuelle Kommunikation ausmacht: Menschen verständigen sich über visuelle Elemente und ohne lange Texte. Ich habe bestehende, bekannte Gestaltungen hinterfragt und einen neuen Weg gesucht, der es meiner Zielgruppe ermöglicht, sehr einfach zu verstehen und agieren.“ Aus diesem Grund arbeitet die Designerin mit Alltagsfotografien, hat Gegenstände illustriert und Icons erstellt – und kommt ohne Bleiwüste aus.

Der Ordner besteht aus sechs Kapiteln, die die wichtigsten Punkte beim Kennenlernen thematisieren: Woher komme ich? Wie ist Deutschland? Welche Schrift verwenden wir? Was ist in unserer Kultur wichtig? Amelie Weinert, die gerade mit Verlagen in Kontakt steht, hofft, „dass die Methode in der Flüchtlingshilfe Einsatz findet.“ „Mein Deutschland“ könnte den Start vieler Flüchtlinge in Deutschland erleichtern und bietet den Helfern neue Möglichkeiten.

Einblick in “Mein Deutschland” gibt es in diesem Booklet: Booklet_Mein_Deutschland

www.amelieweinert.de

Weitere Artikel und ein Interview:

SWR Fernsehen, Landesschau aktuell vom 8. September, ab Minute 13’03:

http://swrmediathek.de/player.htm?show=5d15d1d0-5658-11e5-b0a9-0026b975f2e6

http://jetzt.sueddeutsche.de/texte/anzeigen/594010/Deutsch-lernen-mit-Stickern

http://page-online.de/kreation/hochaktuell-und-sehr-effektiv-visuelle-kommunikation-fuer-fluechtlinge/

http://chrismon.evangelisch.de/lernhilfe

Arzt, Bäcker, Polizist: Im Kapitel “Berufe” greift man zur Schere! Foto: Amelie Weinert

 

Kommentare (4)

  1. Sehr geehrte Frau Weinert,
    auf der Suche nach Kommunikationshilfen für Flüchtlinge bin ich gerade auf Sie und Ihr Werk
    “Mein Deutschland” im Internet gestoßen.

    Derzeit überlege ich mir auch schon wie die Erstaufnahmen mit Flüchtlingen , wie ich sie erlebt habe,, verständnisvolle für alle Beteiligten gestaltet werden können.
    Dachte daran an Wörterbüber mit Bildern, Systeme der Unterstützen Kommunikation (Behindertenhilfe etc) . Könnte mir auch vorstellen einen Kurs zur Grundverständigung anzubieten, aber ich weiß noch nicht über welchen Träger bzw. welche Behörde.

    Meine Frage ist nun , wo gibt es Ihren erstellten Ordner zu kaufen ? und was kostet dieser ?
    Gibt es in dieser Richtung auch ein Konzept des Unterrichts oder für Kurse ? Würde mich
    dafür sehr interessieren.

    Freue mich über Rückmeldung.
    Freundliche Grüße
    Rita Mayinger

    PRAXIS Pädagogik Prävention Projekte
    Rita Mayinger
    Ulrich Hofmaier Str. 16
    81659 Augsburg
    Tel. 0821-595764
    http://www.rita-mayinger.de

  2. Sie sind über Birgit Meyer schon informiert , und bestimmt haben Sie auch schon Kontakt mit dem
    Verleger Hubert Klöpfer vom Klöpfer & Meyer Verlag in Tübingen .

    Herr Klöpfer hatte mich gebeten sie zu finden, was ja auch gelungen ist . Herr Klöpfer ist der richtige Verleger, da bin ich sicher ! gutes gelingen und viele Grüße

    Prof. Alf Steinhuber

  3. Liebe Frau Weinert,

    seit vier Wochen arbeite ich ehrenamtlich als Deutschlehrerin in der Notunterkunft Berlin-Karlshorst (Leitung: DRK Herr Büchner-Fenner).

    Meine in der Hochschule Pforzheim beschäftigte Schwester mailte mir diesen Link.

    Für meine Arbeit bin ich sehr interessiert ihre Arbeit zu verwenden. Falls Sie schon einen Verleger gefunden haben, würde ich mich sehr freuen von Ihnen zu hören.
    Eventuell könnte ich auch mit einem Prototypen arbeiten und die Arbeit dokumentieren.

    Beste Grüße

    Sigrune Golderer

  4. Hallo,
    auf der recherche nach Innovativen ideen zum Abbau von Sprachbarrieren bin ich zufällig auf “Mein Deutschland” gestoßen. Wann wird es zugänglich sein? Ich würde mich sehr freuen damit zu arbeiten! Mit herzlichen Grüßen

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