Ausstellung studentischer Arbeiten in der Künstlergilde Buslat e. V.

6. April 2016

 

 

 

Erläuterung zur Ausstellung von Prof. Dr. phil. Silke Helmerdig
Professorin für künstlerische Fotografie und digitale Bildwelten :

Es mag erst einmal konservativ anmuten, eine Ausstellung von studentischen
Arbeiten anhand von Körperbildern zu gestalten. Mit der Ausstellung von
Arbeiten Studierender präsentieren wir uns als Bildungseinrichtung, wollen
aber natürlich nicht traditionell daher kommen. Der Akt gehört schon lange zur
künstlerischen Grundausbildung — und so auch immer noch an der Fakultät für
Gestaltung der Hochschule Pforzheim. Es ist nicht so, als hätten wir all die
Strömungen und Revolutionierungen der Kunst seit dem späten 19.
Jahrhundert nicht mitbekommen. Auch ignorieren wir diese keineswegs.
Dennoch gehört das Aktzeichnen bei uns immer noch zu den künstlerischen
Grundlagen.
Die Beschäftigung mit der menschlichen Figur — keineswegs nur mit der
unbekleideten weiblichen — schult den Blick. Nach außen, wie nach innen, das
Sehen des Anderen und des Selbst, oder des Selbst durch den Blick auf den
anderen.
In drei verschiedenen Medien zeigen wir in der Künstlergilde Buslat diesen
Blick auf den Anderen in Form der menschlichen Figur: mit Zeichnungen von
Benjamin Voit, Fotografien von Tatsiena Tribunalova und mit Plastiken von Iris
Ebert.
Keineswegs bestimmt immer das Motiv das Kunstwerk. Die Künstler und
Künstlerinnen haben volle Freiheit über die Darstellung ihrer Figuren.
In der Zeichnung entsteht der Akt aus Strichen — und bleibt so auch abstrakt.
Der Zeichner steht dem Aktmodell gegenüber, betrachtet es eingehend und
entwickelt aus dieser Beobachtung entsprechend die Zeichnung. Mit Abstand
und Wille zum Erkennen wird aus einer Aneinanderreihung von Strichen eine
Figur.
Die Fotografin ist mit dem Aktmodell im Fotostudio. Vor der genauen
Betrachtung liegen hier technische Schritte: Licht und Kamera einrichten. Den
Raum für das Modell definieren. Dann erst dient auch hier der Körper der
Fotografin der Erkundung mit dem Auge und verliert sich in der Aufnahme
dann in der Ansammlung von Silber in Flächen von schwarz, weiß und grau.
Und in der Skulptur, oder in diesem Fall eher der Plastik – mit Rodin
gesprochen “ganz einfach die Kunst der Vertiefung und Erhöhung” (zitiert nach
John Berger: Rodin) – formt sich eine Figur als Gegenüber aus der Inspiration
durch den Körper aus zuvor unförmigem Material. Die Künstlerin, ohne Modell
im Atelier, schöpft aus ihrer Phantasie und ihrer Erinnerung — auch sie hat in
ihrem Studium Aktzeichnungen gemacht.
Die menschliche Figur abstrahiert sich im künstlerischen Prozess und setzt sich
gleichzeitig im Auge des Betrachters oder der Betrachterin wieder zu einer
erkennbaren Figur zusammen. Aus der Abstraktion — von Linie, Fläche und
räumlicher Darstellung — entsteht durch die geistige Bereitschaft der
Betrachter und Betrachterinnen eine Konkretion.
Die palästinensische Künstlerin Mona Hatoum sieht im Körper die Achse
unserer Wahrnehmung. Um genau diese Achse drehen sich die hier
ausgestellten Arbeiten. Der Blick auf den Körper, vermittelt durch die
Wahrnehmung der Künstler und Künstlerinnen, fordert unsere Einlassung. Aber
nur durch unsere bedachte Wahrnehmung der Ergebnisse des künstlerischen
Prozesses entstehen wieder Körper, bereit für unsere innere Zwiesprache.
Rein von der Herstellung her betrachtet scheinen die drei unterschiedlichen
Prozesse des Zeichnens, des Fotografierens und der Plastik nicht viel
miteinander zu tun zu haben. Allerdings wissen wir ja, dass das künstlerische
Schaffen nicht rein dem Tun, also der Hand entspringt.
Der Begriff des Akts kommt vom lateinischen actus, der Bewegung oder
Handlung bedeutet.
Der Akt des künstlerischen Handelns beginnt mit dem Akt, dem Erfassen und
Erfahren der menschlichen Figur.
Nur durch die Handlung und die Bewegung des Künstlers oder der Künstlerin
entsteht der Akt, der nur durch die Handlung des Wahrnehmens der Betrachter
und Betrachterinnen als Figur erkannt wird.
In dem, was dem Tun vorausgeht — man könnte von künstlerischer Recherche
sprechen — ähneln sich die Vorgehensweisen von Zeichnung, Fotografie und
Plastik dann doch.
Die Handlung des eingehenden Betrachtens geht der Bewegung der Hand und
des Körpers voraus. Aus der Verbindung von beidem entsteht der Prozess des
künstlerischen Schaffens. Dieser Prozess ist es, den wir, beginnend mit der
Aktzeichnung, den Studierenden der Fakultät für Gestaltung näher bringen
wollen. Dieser Prozess soll sie auf ihrem weiteren Weg als Gestalter und
Gestalterinnen begleiten.

 

 

Fotos:

Petra Jaschke

Prof. Dr. Silke Helmerdig

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